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Die
Bedeutung der verschiedenen renalen Mechanismen (Filtration, aktive Sekretion
und Rückresorption) für die Eliminationsrate eines Pharmakons,
lässt sich mit Hilfe der Clearance veranschaulichen,
die ein Maß für die Effektivität der Eliminationsvorgänge
in der Niere darstellt.
Dieser Begriff
läßt sich einfach ableiten: Beim Menschen werden in den Glomeruli
durchschnittlich 130 ml Plasmawasser pro Minute mit dem darin gelöster
Pharmakon abfiltriert. Das Wasser wird anschließend in den Tubuli
fast quantitativ, d.h. ca. 129 ml, rückresorbiert. Dies bedeutet,
daß zunächst 129 ml Plasma/min vom Pharmakon befreit werden.
Die Clearance entspricht der von dem betreffenden Stoff pro Minute gereinigten
Plasmamenge. Für Stoffe, die ausschließlich durch Filtration,
ohne Beteiligung anderer Mechanismen, in der Niere ausgeschieden werden,
ergibt sich demnach ein Wert von 129. Wird ein Pharmakon in den Tubuli
teilweise rückresorbiert, muß die Clearance unter 129 absinken.
Kommt zur Filtration jedoch noch ein aktiver Sekretionsvorgang hinzu,
kann sie über 129 ml ansteigen. Es ist jedoch zu berücksichtigen,
daß es sich in diesem Falle nur um die sogenannte renale
Clearance handelt.
Da Stoffe
in der Regel nicht nur über die Niere, sondern auch über andere
extrarenale Wege ausgeschieden werden, stellt die renale Clearance nur
eine Kenngröße für den Nierenanteil im Rahmen der sogenannten
totalen oder Gesamtkörper-Clearance dar. Nur in
jenen Fällen, in denen ein Pharmakon ausschließlich renal eliminiert
wird, sind renale Clearance und totale Clearance identisch. Für pharmakologische
Zwecke wird die Clearance am zweckmäßigsten in Form der Plasma-Halbwertszeit
(t50%) des betreffenden Pharmakons umschrieben. Sie gibt den Zeitraum
an, innerhalb dessen die Blutkonzentration auf die Hälfte des Initialwertes
abgesunken ist und hängt auch von den extrarenalen Faktoren ab. Die
Halbwertszeit eines Stoffes, als Maß seiner Ausscheidungsgeschwindigkeit,
läßt sich als pharmakokinetischer Parameter rechnerisch aus
dem abfallenden Schenkel der Bateman-Funktion ermitteln. Mathematisch
gesehen handelt es sich dabei wie bei den Absorptionsvorgängen, nur
in umgekehrter Richtung, um einen exponentiell verlaufenden Prozeß:
Pro Zeiteinheit wird ein gleicher Prozentsatz der vorhandenen Konzentration
eliminiert. Nur in ganz wenigen Fällen (z.B. beim Alkohol) ist eine
Entfernung des gleichen absoluten Betrages pro Zeiteinheit bekannt. Die
Halbwertszeiten von Pharmaka können von Stoff zu Stoff erheblich
schwanken. (t.B. beträgt die t5o% für Tubocurarin ca. 13 Min.,
für Acetylsalizylsäure ca. 5 Stunden, für Barbital ca.
8 Tage). Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Plasmahalbwertszeit
nicht in jedem Falle mit der Wirkdauer konform geht. Bestimmte Stoffe,
die nicht mehr im Plasma nachweisbar sind, können durchaus noch an
ihrem Wirkort haften (z.B. ß-Rezeptorenblocker) und eine gegenüber
der Plasmahalbwertszeit wesentlich längere sogenannte pharmakologische
Halbwertszeit besitzen. Grundsätzlich ist aber die Kenntnis der Ausscheidungsdaten
für die Voraussage der Wirkungsdauer einer Einzeldosis und die entsprechend
erforderliche Applikationsfrequenz ein Parameter von therapeutisch hoher
Bedeutung. Dies ist insbesondere bei Mehrfachdosierungen für jene
Stoffe wichtig, die nur geringe therapeutische Breite (siehe Pharmakodynamik)
besitzen (z.B. Herzglykoside) und die bei zu hoher Dosierung oder zu schneller
Verabreichungsfolge (Dosierfrequenz) eine Kumulation
(d.h. progrediente Zunahme der Wirkstoffkonzentration im Blut bei wiederholter
Dosierung) zeigen können.
In der Regel kann
auf die wiederholte Gabe von Einzeldosen nicht verzichtet werden, um einen
therapeutischen Wirkspiegel zu erreichen und diesen auch aufrecht zu erhalten.
Die Entstehung des Blutspiegels bei wiederholter Gabe eines Pharmakons
in ein dem Kreislauf vorgeschaltetes Kompartiment (z.B. bei den praktisch
besonders wichtigen oralen Verabreichungen) läßt sich einfach
ableiten: Bei jeder Einzelapplikation eines Stoffes wird im Blut, in Abhängigkeit
von der Dosis sowie den Absorptions- und Eliminationsprozessen, eine Zeit-Konzentrationskurve
bewirkt. Mehrfache zeitlich verschobene Applikationen erzeugen somit eine
Folge von zeitlich verschobenen Zeit-Konzentrationskurven. Werden die
Zeiträume zwischen den einzelnen Applikationen (Dosierintervalle)
so gewählt, daß jeweils die nachfolgende Applikation in die
noch nicht abgeschlossene Eliminationsphase der vorhergehenden Applikation
fällt, addiert sich die neue Dosis auf die noch vorhandene Pharmakonzentration.
Es resultiert eine wellenförmig verlaufende, ansteigende Blutspiegelkurve.
Bei fortgesetzter gleichbleibender Dosierung und gleichbleibenden Dosierintervallen
ist der Anstieg der Kurve erst dann beendet, wenn ein Blutspiegel erreicht
ist, bei dem Absorptions- und Eliminationsgeschwindigkeit, also Zufuhr
und Ausscheidung, im Gleichgewicht stehen.
Bei Stoffen mit niedriger
Halbwertszeit besteht selten die Gefahr der Erreichung toxischer Wirkspiegel,
da selbst bei hoher Dosierfrequenz eine nennenswerte Erhöhung des
Blutspiegels nicht auftritt. Schwieriger ist die Situation bei Stoffen,
die eine hohe Halbwertszeit haben. Hier kann es bei zu kurzen Dosierintervallen
oder zu hohen Dosen zu Kumulationsprozessen kommen, da bei diesen erst
bei hohen Blutspiegelwerten ein Ausgleich zwischen Invasions- und Evasionsvorgängen
auftritt. Zusätzlich belastend wirken sich noch pathologische Veränderungen
der Ausscheidungsorgane (z.B. Leber- oder Nierenerkrankungen) aus, wodurch
das Gleichgewicht zugunsten der Absorptionsvorgänge verlagert wird.
Es ist aber grundsätzlich festzustellen, daß jede in einem
bestimmten Intervall gegebene repetitive Gabe von Pharmaka, die theoretische
Möglichkeit einer Kumulation beinhaltet. Diese tritt hiernach immer
auf, wenn pro Zeiteinheit mehr aufgenommen als ausgeschieden wird, kann
somit prinzipiell für jedes Pharmakon zutreffen. Daher ist der Begriff
“kumulierende Stoffe” an sich unkorrekt. Das Ausmaß
einer Kumulation ist vielmehr lediglich eine Funktion der Anzahl an Dosen
pro Halbwertszeit (somit des Dosierintervalls), hängt demnach nicht
vom Stoff, sondern von dem den das Arzneimittel verabreichenden Therapeuten
ab. Vom praktischen Standpunkt her kommen nur wenige Pharmaka vor, die
schon bei niedriger Dosierfrequenz eine kumulierende Blutspiegelkurve
zeigen (u.a. einige Herzglykoside).
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